WG202 – Briefentwurf an Alma Mahler
Toblach oder nach Berlin im Zug oder in Berlin, zwischen Freitag, 15. und Sonntag, 17. September 1911

Ich muß Dir verächtlich
erschienen sein und
das ist entsetzlich für
mich. Ich verabscheue mich \selbst/

\ich ertrinke daran./

Dich, Dich, meine liebstes

auf der Welt, habe ich
gequält

 Wie leicht ist es für
einen Menschen, der leiden-
schaftslos ist, ein
immer maßvolles u
vernünftiges Benehmen
an den Tag zu legen


Jet Ich bin so weit, daß
alles was nicht mit
meiner Leidenschaft
zu tun hat, mir wert-
los erscheint.

Ich habe Dich nicht genu

 geschützt, Dich Gefahren
ausgesetzt

\m wissenden Augen schauen/
Formensinn erfrischt.
Hofbildung.

Immer wieder lese ich Deinen
Brief und bete, daß sich
die Herzquellen nun
nicht mehr schließen
mögen.

Ich bin noch mehr er-

füllt von Deiner Herrlich-
keit und fühle mich
gering neben Dir

 Licht u Schatten –
das kubische Einfangen
d. Raums. Ruhe –
nirgends Bewegung
u Spannung. Orna-
mente. Käme ein
Tag an dem ich Dir auch
in großer Münze zahlen
könnte. Es wäre ein Glück

 für mich

Hell leuchtest Du mir
in Dein Herz hinein.
und ich verging vor
Liebe u Bewunderung
alles so klar, so ein-
fach groß gedacht u
empfunden

 Frauen – naiv –
leidenschaftsfähig.
unkeusches Berlin

Liebste Frau, ich

bin (Dein – Dir über-
liefert) Dir untertänig
- muß es sein.
Du durchläuterter
Mensch.

Ich habe die rückwärtigen

Wochen überflogen u
mir zu verdeutlichen ge-
sucht, welch


Apparat

Überlieferung

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Quellenbeschreibung

3 Bl. (3 b. S.) – Notizblock.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Antwort auf AM108 vom wahrscheinlich 14. September 1911 (dass es mir nun bitter leid thut – nicht immer so offene Herzquellen zu haben – die uns Beiden schon oft geholfen hätten): Immer wieder lese ich Deinen Brief und bete, daß sich die Herzquellen nun nicht mehr schließen mögen.

Datierung

Der vorliegende Entwurf ist offensichtlich als Reaktion auf AM108 (wahrscheinlich aus der Nacht des 14. September 1911) entstanden, den AM WG während seines Besuchs in Toblach direkt ins Hotel schickte und der von WG spätestens am 15. September, seinem wahrscheinlichen Abreisetag, in Empfang genommen wurde. Ob WG WG202 noch in Toblach verfasste oder abschickte, muss offenbleiben. Als AM ihren nächsten Brief, AM109 vom 16. September, verfasste, hatte sie den aus dem vorliegenden Entwurf WG202 hervorgegangenen Brief noch nicht erhalten (Hast Du meinen Brief [= AM108] bekommen?, AM109). Erst am 18. September berichtete AM in AM110 von der Ankunft einer Antwort WGs auf AM108, die WG spätestens am 17. September abgeschickt haben musste. Demnach lässt sich der Entstehungszeitraum von WG202 zwischen dem 15. und 17. September 1911 festlegen.

Übertragung/Mitarbeit


(Elisabeth Behnle)


A

BriefAM108 vom wahrscheinlich 14. September 1911.